Mieder tragen nach plastischer OP: Interview mit Dr. Dr. med. Matthias Siessegger

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Mieder nach plastischer OP

Kompressionsmieder sind wichtige Hilfsmittel zur Nachbehandlung einer plastisch-ästhetischen Operation und können den Erfolg des Eingriffs deutlich mitentscheiden. Inzwischen gehen manche Plastische Chirurgen sogar davon aus, dass beispielsweise im Falle einer Fettabsaugung ein Mieder fast ein Drittel des Erfolgs ausmachen kann. Dr. Dr. med. Matthias Siessegger ist Experte auf dem Gebiet der Mieder nach erfolgter OP und kann Sie optimal dazu beraten.

Von optimaler Unterstützung der Wundheilung bis zur Verbesserung des OP-Ergebnisses: Das können Kompressionsmieder

Herr Dr. Dr. Siessegger, nach welchen ästhetischen Eingriffen ist das Tragen von Kompressionsmiedern empfehlenswert?

Kompressionsmieder unterstützen die Wundheilung, daher ist es grundsätzlich nach vielen chirurgischen Eingriffen ratsam, in der ersten Zeit nach der OP ein Mieder oder einen entsprechenden Kompressionsverband zu tragen.

Im Bereich Plastische Chirurgie empfehlen sich Mieder insbesondere nach einer Fettabsaugung, Bauchdeckenstraffung, Brustvergrößerung oder Brustverkleinerung. Aber auch bei plastisch-ästhetischen Behandlungen im Gesichtsbereich können Kompressionsmieder die Wundheilung effektiv unterstützen, z. B. nach einem Facelift, einer Halsstraffung oder Ohrenkorrektur.

Inwiefern wird die Wundheilung durch Mieder positiv beeinflusst?

Nicht nur die jahrzehntelange chirurgische Erfahrung sondern auch entsprechende Studien haben belegt, dass die leichte Gewebekompression nach einer chirurgischen Intervention enorme Vorteile bietet.

Zum einen verhindert oder reduziert der genau abgestimmte „Gegendruck“ einer Wundauflage oder eines Mieders die Schwellungsneigung des heilenden Gewebes, zum anderen verhindert es auch kleinere Blutungen, die zu einem Hämatom und damit zu Problemen führen können.

Zudem bietet ein modernes „Hightech-Kompressionsmieder“ den gewünschten Halt ohne gleichzeitig die Durchblutung zu gefährden. Auch der psychologische Effekt des „sicheren Haltes“ ist von Bedeutung.

Für welche Körperbereiche gibt es Kompressionsmieder?

Kompressionsmieder wurden speziell für die Nachbehandlung von diversen plastischen Operationen konzipiert. Entsprechend der vielfältigen Einsatzbereiche gibt es heute Mieder für den Kopfbereich, den Brust- und Bauchbereich sowie für die Arme, Beine, Hüften und das Gesäß.

Sie erwähnten, dass Mieder insbesondere nach Fettabsaugungen empfehlenswert sind. Weshalb ist das so?

Nach einer Fettabsaugung entsteht eine Wundhöhle, in der sich ein Gemisch aus Fettzellen, Blut und Entzündungszellen anlagert. Mithilfe des Mieders können diese Flüssigkeiten konsequent aus der Wundhöhle gepresst werden, damit die aufeinandergelegten Hautschichten optimal zusammenwachsen können. Wenn sich die Hautschichten dagegen ungleichmäßig absetzen, können Dellen, Falten oder Verwachsungen entstehen, die ein schlechteres optisches Resultat ergeben. Zudem werden durch Kompressionsmieder neben der erwähnten Hämatome auch Ödeme reduziert oder verhindert.

Neben den Vorteilen für die bessere optische Heilung bringen Mieder nach der OP weitere Vorteile für die Patienten: Gerade nach einer großflächigen Fettabsaugung können die Patienten an Salz- und Flüssigkeitsverlust und damit verbundenen Kreislaufbeschwerden leiden. Kompressionsmieder verhindern das Abwandern von Flüssigkeit in die Absaughöhlen und können so ein größeres Wohlbefinden nach einem ästhetischen Eingriff erzeugen.

Weshalb ist auch nach einer Brustvergrößerung empfehlenswert, ein Mieder zu tragen? Werden die Implantate dadurch nicht unnötig belastet?

Ganz im Gegenteil. Neben der schon erwähnten Unterstützung der Wundheilung tragen Brustmieder, insbesondere der sogenannten Stuttgarter Gürtel dazu bei, dass die frisch eingebrachten Implantate nicht verrutschen, bevor sie eingewachsen sind.

Hochmoderne Brustimplantate sind heute mit einer speziellen Oberflächenstruktur verfügbar, die gezielt die Aktivität der Gewebezellen bei der Anhaftung in der Heilphase unterstützen. Es entsteht ein sogenanntes „Interface“ zwischen Oberflächenmatrix des Implantates und umgebenden eigenen Gewebe. Diese Anhaftung kann mit gezielter Kompressionskraft positiv beeinflusst bzw. besonders gut ermöglicht werden.

Der Körper benötigt einige Wochen, bis er das Implantat mit natürlichem Gewebe umhüllt. Eine ungestörte Haftungsphase in dieser Zeit verhindert nicht nur ein Verrutschen der Implantate sondern gewährleistet eben dieses Attachement.

Wie lange soll ein Mieder im Regelfall getragen werden?

Die Tragedauer hängt im Wesentlichen vom Eingriff ab. Bei einer Fettabsaugung ist es ratsam, das Mieder unmittelbar nach der OP durchgehend für etwa 3 Wochen zu tragen. Nach Facelifting halten wir eine individuell zu bestimmende Kurzkompression von in der Regel nur 1- 3 Tagen für angebracht, nach Brustoperationen kann eine Kompressionsbehandlung von bis zu 6 Wochen sinnvoll sein.

Worauf sollte bei der Wahl eines Mieders geachtet werden?

Um ein perfektes chirurgisches Ergebnis zu erzielen sollten die Weichgewebe durch das angelegte Mieder einen ganz bestimmten Anpressdruck ausgesetzt werden. Dieser bemisst sich an dem sogenannten „hydrostatisch venösen“ Druck“, nimmt Einfluss auf die lymphatische Zirkulation und damit auf die bereits genannten Prozesse der Wundheilung.

Um das leisten zu können, müssen Mieder aus einem hochwertigen Material und passgenau sowie „dreidimensional dynamisch aktiv“ sein. Baumwolle ist z. B. zwar ein sehr angenehmer Stoff, würde aber zu schnell die Zugkraft verlieren und damit nicht dauerhaft die nötige Spannung bieten. Moderne Kunststoffe können da einiges mehr leisten.

Als Material hat sich die Kombination aus 49 Prozent Lycrasoft Elastan/Spandex und 51 Prozent Tactel Nylon in den letzten Jahrzehnten besonders bewährt. Hier konnte eine Verwebung von bestimmten Faseranteilen eine Dynamik in der Anpassung erreicht werden. Das bedeutet, dass das Material sich den Belastungen anpassen kann und die entstehenden Zugkräfte und damit der entstehende Gewebedruck innerhalb bestimmter Grenzen limitiert eingestellt werden kann.

Zudem berichten die Patienten von einem besonderes angenehmen Tragekomfort.

Können Mieder eigentlich auch Nachteile mit sich bringen?

Wenn die Materialzusammensetzung des Mieders ungünstig gewählt ist, kann dies tatsächlich unangenehme Folgen haben.

Zum einen kann der Tragekomfort eingeschränkt sein, beispielsweise dann, wenn das Material nicht atmungsaktiv ist und man unter dem Mieder zu schwitzen beginnt. Auch Juckreiz kann durch den engen Kontakt mit der Haut entstehen, wenn das Mieder mindere Qualität aufweist.

Zum zweiten kann der eigentliche Zweck des Mieders verloren gehen, wenn der nötige Anpressdruck nicht gezielt eingestellt oder nicht aufrechterhalten wird, da das verwendete Material nicht über entsprechenden Eigenschaften verfügt.

Insofern sollte man hier nicht am falschen Ende sparen und das Ergebnis einer teuren OP durch ein minderwertiges Mieder gefährden.

Was bedeutet der Begriff „Kompressionsklasse“ im Zusammenhang mit Miedern?

Die Kompressionsklasse gibt Aufschluss darüber, wie hoch der Kompressionsdruck eines Mieders ist. Mieder der Kompressionsklasse II haben sich in zahlreichen Studien als medizinisch optimal wirksam erwiesen. Damit wird ein Druck von 23-32 mmHg erreicht.

Es gibt auch Ärzte, die eine Notwendigkeit von Miedern in der Plastischen Chirurgie nicht erkennen. Wie stehen Sie dazu?

Hinsichtlich der Anwendungsempfehlung von Kompressionsmiedern nach Fettabsaugungen herrscht meiner Ansicht nach mittlerweile fachübergreifend einmütige Einsicht. Die enormen Vorteile sind unstrittig.

Hinsichtlich des Einsatzes von Kompressionsmiedern nach Brustvergrößerungen oder Brustverkleinerungen ist noch kein Goldstandard erkennbar, zumindest sind die Richtlinien hier in der Plastischen Chirurgie und in der Gynäkologischen Chirurgie noch nicht eindeutig.

Das mag aus meiner Einschätzung daran liegen, dass derzeit sehr viele Kompressionsmaterialien auf dem Markt sind und wissenschaftliche Studien zu bestimmten Einsätzen mit klassifizierten Miedern nur eingeschränkt verfügbar und den Kollegen vermutlich nicht ausreichend kenntlich sind.

Es ist jedoch anzunehmen, dass die – aus meiner Sicht hohe und besondere Bedeutung von Verbänden, Verbandstechniken und die Weiterentwicklung vorteilhafter Verbandsmaterialien in der Plastischen und Rekonstruktiven Chirurgie zunehmend Anerkennung findet.

Wie gelingt es Ihnen in der Praxis, Ihre Patienten dazu zu motivieren, das Mieder wirklich konsequent zu tragen?

Wir machen unseren Patienten im Vorfeld der Operation deutlich, dass der Erfolg der Behandlung zu einem großen Teil vom eigenen Verhalten nach der Operation abhängig ist. Selbst wenn wir als Chirurgen perfekte Arbeit leisten, kann der Behandlungserfolg durch Fehlverhalten des Patienten im Anschluss an die OP gefährdet werden.

Jeder Patient muss sich im Klaren darüber sein, dass der Verzicht auf das Mieder im ungünstigsten Fall dazu führen kann, dass Unregelmäßigkeiten, Dellen sowie Verwachsungen entstehen können. Zudem kann die Wundheilung unnötig verzögert werden.

Wir empfehlen unseren Patienten, auch in Anbetracht der einfach auszuschließenden Risiken und der geleisteten hohen Aufwendungen, sich unbedingt an die Verhaltensvorgaben zu halten, die ihnen nach Operation mit auf den Weg gegeben werden und sehen in der Regel eine hohe Zufriedenheit.

Foto: © wayhomestudioo / elements.envato.com

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